
Patienteninformationsblatt für das Bardet-Biedl-Syndrom
Was versteht man unter dem Bardet-Biedl-Syndrom?
Ein Syndrom bezeichnet eine Krankheit, deren Merkmale in einem einheitlichen Muster auftreten, wobei die Ursache der Krankheit unklar ist. Das Bardet-Biedl-Syndrom (BBS) ist nach Georges Louis Bardet benannt, einem französischen Arzt (geboren 1885) und nach Artur Biedl, einem ungarischen Pathologen und Endokrinologen (geboren 1869). Seit den Erstbeschreibungen wurden in der medizinischen Fachliteratur mehr als 200 Fälle beschrieben.
Wie häufig tritt es auf?
Das BBS-Syndrom betrifft einen von 160.000 Menschen, es tritt also sehr selten auf. Ein spezialisierter Arzt wird möglicherweise während seines oder ihres Berufslebens nur ein erkranktes Kind behandeln.
Wie wirkt sich die Krankheit aus?
Manche Kinder werden mit zusätzlichen Fingern oder Zehen geboren. Diese werden normalerweise bald nach der Geburt entfernt, können aber manchmal ein Hinweis auf BBS sein.
Kinder entwickeln unter Umständen früh manifeste Adipositas, die leider oft fälschlicherweise auf falsche Ernährung zurückgeführt wird. Es handelt sich dabei jedoch um eine Folge der Erkrankung. Später kann dies zu einer Fettleber-Erkrankung in der späten Kindheit führen.
Manche Säuglinge haben Zystennieren, die entweder vorgeburtlich oder in der frühen Kindheit entdeckt werden. Dies kann zu chronischem Nierenversagen führen und muss behandelt werden.
Mit retinaler Dystrophie bezeichnet man Anomalien der Zapfen und Stäbchen im Augenhintergrund. Häufige Anzeichen dafür sind „Wackelaugen“ während des Säuglingsalters. Leider gibt es keine Behandlung dafür.
Diabetes mellitus ist die Bezeichnung für die Tatsache, dass der Körper Zucker nicht in Energie umwandeln kann, da das Insulin aus der Bauchspeicheldrüse nicht wirksam genug ist. Zu den Symptomen zählen Durst und häufiges Wasserlassen, außerdem Gewichtsverlust. Zucker wird über den Urin ausgeschieden, Bluttests zeigen einen Blutzucker. Normalerweise wird Diabetes mellitus mit Insulinspritzen oder Tabletten behandelt. Taubheit bedeutet üblicherweise, dass jemand Schwierigkeiten hat, den Gesprächspartner in einem bevölkerten Raum zu verstehen, außerdem fällt die Wahrnehmung hoher Töne schwer. Ein Hörgerät kann bei manchen Menschen für Abhilfe sorgen.
Einige Kinder mit BBS haben mittelschwere Lernstörungen und müssen in der Schule zusätzlich gefördert werden.
Woher weiss ich, ob mein Kind an dieser Krankheit leidet?
Normalerweise zeigt sich schon im Kindesalter eine retinale Dystrophie und eine Adipositas. Wenn ein junger Mensch in der frühen Kindheit nicht an retinaler Dystrophie leidet, ist es unwahrscheinlich, dass er oder sie BBS hat. Manchmal wird die Krankheit jedoch nicht diagnostiziert und erst später erkannt.
Wie sind die Aussichten für ein Kind mit BBS?
Diabetes mellitus kann mit Insulin therapiert werden. Die Sehprobleme verschlimmern sich normalerweise, aber nicht immer, und führen oft gegen Ende der Adoleszenz zur Erblindung. Viele junge Menschen ertauben während der Adoleszenz. Viele leiden auch in in der frühen Kindheit an Nierenproblemen und müssen sich deswegen in Behandlung begeben.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein weiteres Kind von der Krankheit betroffen sein wird?
Obwohl man ursprünglich davon ausgegangen ist, dass BBS eine rezessive Störung ist, hat sich gezeigt, dass manche Formen des Bardet-Biedl-Syndroms mehr als eine Mutation in mehr als einem Genlokus erfordern. Dies wird „triallelische Vererbung“ oder „rezessive Vererbung in Kombination mit einem Penetranz-Modifikator“ genannt. Damit also ein Kind von dieser Erbkrankheit betroffen ist, muss es manchmal mehrere defekte Kopien zweier oder mehr BBS-Gene erben. Es ist möglich, während der Schwangerschaft einen Test durchzuführen, um herauszufinden, ob ein ungeborenes Kind betroffen ist.
Wird es eine Heilung für BBS geben?
Heilung wird erst in ferner Zukunft erwartet. Derzeit konzentriert sich die Forschung darauf, zu verstehen, welche Fehler in den BBS-Genen das Syndrom verursachen. Es gibt Forschungsgruppen in den USA, Frankreich und Großbritannien, die sich alle mit diesem Problem beschäftigen.
An wen wende ich mich, um Hilfe zu erhalten?
Es gibt einen guten Artikel dazu in der Fachzeitschrift Gene Reviews (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK1363/). Es ist ebenfalls von großer Wichtigkeit, dass Sie dieses Informationsblatt Ihrem Arzt zeigen, damit er weiss, über welche Informationen Sie verfügen. Wenn Sie Fragen haben bezüglich der Informationen in dieser Broschüre, schreiben Sie mir bitte und ich werde versuchen, Ihnen zu antworten.
Diese Broschüre ist ein Entwurf, bis ein detaillierteres und endgültiges Informationsblatt im Rahmen des EURO-WABB-Projektes erstellt wird.
Dr Timothy G Barrett
Professor der Pädiatrie
C/O Diabetes Unit
Birmingham Children’s Hospital
Steelhouse Lane
Birmingham B4 6NH
Großbritannien